Was ist COPSERVATION und was machen wir?
Mit COPSERVATION stellen wir eine umfassende Chronik von Berichten zu umstrittenem Polizeiverhalten in der BRD seit 1990 bereit und arbeiten diese kartographisch auf. Als eine Gruppe parteiunabhängiger und unentgeltlich arbeitender Menschen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Fälle kontroversen polizeilichen Handelns deutschlandweit zusammenzuführen. Grundlage für unsere Recherchearbeit sind dabei journalistisch aufgearbeitete Artikel und Berichte öffentlich zugänglicher Print- und Onlinemedien. Wir erfassen polizeiliches Handeln, das Gegenstand öffentlicher Kritik ist, sowie Berichte über Ermittlungs- und Disziplinarverfahren und juristische Verurteilungen von Polizeibeamt:innen. Die Chronik wird so wertfrei wie möglich gehalten.
Als Pressespiegel wollen wir damit eine solide Informationsbasis schaffen, auf deren Grundlage polizeikritische Stimmen ihre Argumentation aufbauen können. Die aufbereiteten Informationen sollen als öffentliches Recherchewerkzeug für Interessierte aus der Zivilgesellschaft sowie Journalist:innen, Wissenschaftler:innen, Organisationen und politische Gruppen zur Verfügung gestellt werden.
Hintergründe
Rechtsextreme Inhalte in Polizeichats, Morddrohungen und Terrorgruppen: Bundesweit wird die Frage diskutiert, ob es sich dabei um „Einzelfälle“ handele oder ob es ein strukturelles Problem innerhalb der deutschen Polizei gibt. Es liegt keine umfassende, bundesweite Studie zu beispielsweise rassistischer Praxis in den Sicherheitsbehörden vor, obwohl diese von vielen gefordert wird. Die Effektivität der dienst- und strafrechtlichen Aufarbeitung von polizeilichem Fehlverhalten ist umstritten.
Von der Polizei ausgeübte Straftaten werden häufig nicht angezeigt und Ermittlungen gegen Polizist:innen eingestellt. Das Zwischenergebnis einer Studie der Uni Bochum zeigt, dass in 86 Prozent der Fälle von mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt kein Strafverfahren eingeleitet wird [1]. Falls doch, dann enden nur weniger als zwei Prozent der Verfahren schließlich vor Gericht [2]. In anderen Bereichen wie bei illegalen Datenabfragen, Falschaussagen oder sonstigem Fehlverhalten sind uns bisher keine Studien oder statistische Erhebungen bekannt.
Die Erfolgsaussichten für Betroffene bei Anzeigen gegen die Polizei sind selten vielversprechend. Das Ansehen von Polizist:innen in der Justiz, schwierige Beweislagen und Polizist:innen, die in der Praxis selten gegen die eigenen Kolleg:innen aussagen (Korpsgeist), spielen dabei eine Rolle. Zudem werden im Fall einer Anzeige oft Gegenanzeigen seitens der Polizei gestellt. Staatsanwaltschaften, die sonst eng mit der Polizei zusammenarbeiten, stehen in der Verantwortung, im Verdachtsfall gegen diese Polizeikräfte zu ermitteln. Auch hierbei sind sie auf die Ermittlungsergebnisse der Polizei selber angewiesen.
Die Bediensteten der Polizei sind als Vollzugsbeamt:innen offiziell dazu legitimiert, im Rahmen polizeilicher Maßnahmen Gewalt gegen Personen und Gegenstände anzuwenden. Es ist daher notwendig, diese staatliche Struktur besonders kritisch unter die Lupe zu nehmen. Eine mangelnde Fehlerkultur, teilweise fehlende Kennzeichnungspflichten oder das Fehlen einer unabhängigen Kontrollinstanz zur Untersuchung von Fehlverhalten und den Missbrauch des Gewaltmonopols erschweren einen ausreichenden Rechtsschutz gegen polizeiliche Willkür.
Perspektiven und Ziele
Als Teil der kritischen Zivilgesellschaft möchten wir hier ansetzen: Mit einer umfassenden Datenbank zu umstrittenem Polizeiverhalten leisten wir einen Beitrag zur Situations- und Zustandsbeschreibung der deutschen Polizei. Wir vermuten einen strukturell begründeten, problematischen Dauerzustand innerhalb der deutschen Polizei, den wir sichtbar machen wollen.
Dass kritische Medienberichte über polizeiliches Handeln nur die Spitze des Eisbergs aufzeigen, ist unstrittig. Darunter befindet sich eine Masse von vielen Fällen, welche nie ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Die Dunkelziffer wird hoch sein. Zudem sind auf unserer Karte sicherlich nicht alle Fälle eingetragen, über die berichtet wurde. Die Karte ist daher in ihrer geographischen und quantitativen Darstellung von Fällen nicht repräsentativ. Sie spiegelt momentan beispielsweise kein Ost/West- oder Stadt/Land-Verhältnis wider und soll nicht als repräsentativ für die Fallquoten einzelner Bundesländer wahrgenommen werden.
Unsere Datenbank wird aber immer umfangreicher. Sie soll den öffentlichen Diskurs über Probleme innerhalb der Polizei mit einer Menge von konkreten Beispielen und Inhalten stützen. Wir hoffen, dass die Chronik als Recherchewerkzeug viel genutzt und durch die Mithilfe anderer stetig erweitert wird.
Fußnoten
1. Zwischenbericht im Forschungsprojekt zu rechtswidriger Polizeigewalt, Ruhr-Universität Bochum, 17. September 2019
2. Hohe Dunkelziffer bei Polizeigewalt in Deutschland, Spiegel Online, 26. Juli 2019